Freitag, 3. Februar 2017

mein F.A.Z. Leserbrief Januar 2017

 
F.A.Z. Brief an die Herausgeber, 27. Januar 2017

 Gauck ein Glücksfall für Deutschland
 „Man sollte die Rede Gaucks allen Einwanderern in die Hände drücken“ – das fordert Berthold Kohler in der Leitglosse „Gaucks Gegengift“ (F.A.Z. vom 19. Januar). Ja! Ich habe sie gern und freiwillig angenommen. Ich weiß Deutschland hoch zu schätzen, weil ich hier wirklich zu einem relativen Wohlstand gekommen bin, in Frieden und Freiheit leben kann. Dafür bin ich höchst dankbar. Wie Eckart Lohse in seinem Beitrag „Aufruf zur demokratischen Selbstermächtigung“
(auch F.A.Z. vom 19. Januar) hervorhebt, nutzen die Deutschen die Macht desWortes. Und das ganz anders als der amerikanische, der russische oder der türkische Präsident. In den sechziger Jahren habe ich mit meiner Familie unter den vietnamesischen Despoten genug gelitten. Und bin vor ihnen
geflüchtet. Sie kennen nur die Macht roher Gewalt. Meine Wertschätzung der Macht des Wortes rührt bestimmt daher. Ich bin froh, vor fünfzig Jahren Deutschland als „mein“ Einwanderungsland ausgewählt zu haben. Damals wegen Albert Einstein, Wernher von Braun und Ludwig Erhard. Herr
Bundespräsident Gauck ist wieder ein Glücksfall für Deutschland. Ich rufe meine Lebensgenossen unter den Einwanderern auf, ihren derzeitigen Lebenswert genau anzusehen und mit ihrer Situation vor der Einwanderung ehrlich zu vergleichen. Es ist nicht schwer zu schätzen, wie hoch der Wert
nun ist. Ich rufe sie ebenso dazu auf, aus dem bequemen kulturellen, ethnischen und sozialen Getto auszutreten, um in Deutschland mitzuleben und mitzuwirken. Kultur-, Sprach- oder soziale Unterschiede können keine Entschuldigung für Passivität sein. Die Geste und die Handlung zählen. Auch im Kontext von Nehmen und Geben. Während der fünfzig Jahre in Deutschland und in siebzig Lebensjahren habe ich nicht die Zuversicht verloren, dass es im Sturm fähige Kapitäne gibt, die das Schiff steuern – besonders in Deutschland. So, trotz des Verlustes von Vertrauen in die Eliten (F.A.Z. vom 18. Januar) baue ich auf die Politiker, besonders auf „meine“ Abgeordneten, dass sie kluge Köpfe für ihr Land besitzen und für dessen Werte kämpfen. Man muss nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen erfassen, „wie modern das deutsche Grundgesetz nach wie vor ist und warum seine Normen und sein Geist weiterhin als Richtschnur für Denken und Handeln dienen
können“ (Zitat Gaucks in „Grundgesetz great again“ von Christian Geyer, F.A.Z. vom 19. Januar). In einem vietnamesischen Volksgedicht heißt es, dass das Wasser zu Hause am besten schmeckt, wenn man woanders viel fremdes Wasser getrunken hat und mal wieder nach Hause zurückkehrt.

THANH-NAM NGUYEN, ROTTENBURG A. N.

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